Was bedeutet Administrativ-Versorgte?

Jugendliche, welche ihre ganze Kindheit schon in diversen Kinderheimen verbracht hatten, die den dort üblichen Misshandlungen und sexuellen Übergriffen durch Flucht entgehen wollten, wurden ins Gefängnis gesperrt. Wenn es sich um Waisen handelte, wurde deren Waisenrente für die „Pensionskosten“ zurückbehalten.

Jugendliche, die sich gegen Gewalt im Elternhaus zur Wehr setzten oder die elterliche Autorität in Frage stellten, die sich erlaubten mit 17 oder 18 Jahren eine Freundin oder einen Freund zu haben, wurden ins Gefängnis gesteckt, wenn Behörden von den Eltern herangezogen wurden.

Symbolbild

Psychiatrische Kliniken stellten Behörden Gutachten aus, welche diese dann als Begründung für die Inhaftierung anführten. Selbstmordversuche wurden zum Teil von Psychiatern mit Gefängnis therapiert.

Jugendliche Mädchen, die schwanger waren, wurden wegen liederlichem Lebenswandel ins Gefängnis gesteckt. Die im Gefängnis geborenen Kinder wurden zur Zwangsadoption freigegeben. Man erliess in vereinzelten Fällen auch Zwangssterilisation. Wenn man bedenkt, dass damals Abtreibung ein Delikt war und schwer geahndet wurde, wird einem die Willkür der Administrativ Versorgungen noch deutlicher.

Von einer Anhörung der Jugendlichen wurde rigoros Abstand genommen. Man könnte die Liste der Begründungen beliebig fortsetzten, doch langer Rede kurzer Sinn, die Behörden setzten sich den demokratischen und rechtstaatlichen Prinzipien hinweg und handelten nach Gutdünken!

Die Folgen für die Betroffenen waren verheerend! Viele wurden psychisch und physisch gebrochen. Das Bewusstsein, nicht wie ein Bürger oder zukünftiger Bürger dieses Staates behandelt zu werden, sondern von der Gesellschaft ausgeschlossen zu sein, trieb viele - die Meisten - ins Outside. Denn was für jeden Bürger gilt, was in Verfassung, Gesetzbüchern und Menschenrechtskonventionen festgelegt ist, wurde für all diese Opfer ausgekoppelt!

Es ist für die Betroffenen blanker Hohn, wenn Leute, die heute in selbstverständlicher Freiheit leben, Konkubinat, uneheliche Kinder, Partnerwechsel, Abtreibungen etc., mit dem Finger auf sie zeigen, weil sie angeblich im Gefängnis gewesen seien.

Niemand von ihnen muss sich mehr vor einer Zwangsabtreibung, Zwangssterilisation, Zwangskastration, Zwangsadoption und einer administrativen Versorgung fürchten. weiterlesen

Quelle: administrativ-versorgte.ch


Wirklich?

Haben wir heute nichts mehr zu befürchten, dank der neuen Vormundschaftsbehörde - KESB? Wenn Sie anderer Meinung sind oder den Beitrag hier verbessern wollen, nehmen Sie mit uns Kontakt auf!


Unrechts-Aspekte

Der Begriff „Administrativ Versorgte“ ist eine Schönfärberei, mit der das Verbrechen an uns damaligen Jugendlichen verschleiert wird. Dahinter steht eine 100%ige Behördenwillkür. Die Öffentlichkeit muss über die damaligen menschenunwürdigen Verhältnisse weiter aufgeklärt werden. Der Vollzug der Massnahmen war ein menschenunwürdiges „Verwalten“ von Jugendlichen durch die Behörden bei der administrativen Versorgung, das uns ein Leben lang nicht mehr los lässt.  Das grösste Unrecht ist jenen Menschen widerfahren, die ohne Straftat in eine Strafanstalt oder sonstige geschlossene Anstalten, geschlossene Erziehungsheime, geschlossene psychiatrische Kliniken oder Jugendgefängnisse weggesperrt wurden. Von administrativen Versorgungen waren weibliche und männliche Jugendliche gleichermassen betroffen. Erstere wurden häufig in Strafanstalten gesteckt. Letztere wurden meist in sog. Arbeitskolonien oder Zwangsarbeitslagern untergebracht.

Es war der Staat bzw. seine Behörden, für die er verantwortlich ist und war, die durch rechtlich relevante Versäumnisse, nämlich durch Unterlassung der Aufsichtspflicht und systematisches Wegschauen, den Kernbereich der Grundrechte verletzt und missachtet haben. Die schweren Konsequenzen daran haben viele der überlebenden Betroffenen/Opfern noch heute schwer zu tragen.

auf das Bild klicken, um ganzes Buch zu lesen.

Der Historiker Dr. Thomas Huonker beschreibt in seinem Buch die damalig grassierende Behördenwillkür, wie Anwendungen der Kastration, Sterilisation und Rassenhygiene im Dienst der Schweizer Sozialpolitik 1890-1970. „Anstaltseinweisungen, Kindswegnahmen, Eheverbote, Sterilisationen, Fürsorge, Zwangsmassnahmen, 'Eugenik' und Psychiatrie in Zürich zwischen 1890 und 1970“. Die Schweizer Eugenik Bleulers Haltung zur psychiatrischen Eugenik ist inzwischen kritisch aufgearbeitet worden.

Eugenische Positionen, die bestrebt waren, das Recht von Patienten und Behinderten auf Elternschaft einzuschränken, (Zwangs-) Sterilisierungen vorzunehmen und in ihrer radikalen „rassenhygienischen“ Auslegung in Deutschland auch Tötungen anstrebten, waren im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts international weit verbreitet (z.B. USA, Skandinavien). Bleulers Vorgänger Auguste Forel war ein früher Vertreter eugenischer Forderungen. Im Asyl Will wurden ab 1907 die ersten vier Sterilisationen in Europa durchgeführt.

Am Burghölzli folgten unter Eugen Bleuler ab 1909 einige eugenische Gutachten, in denen operative Eingriffe befürwortet wurden (Küchenhoff 2003). Das Schweizer Kanton Waadt führte 1928 das erste Zwangssterilisationsgesetz in Europa ein. 1936 bekräftigte Eugen Bleuler in seinem Aufsatz Die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Ethik, dass die „Vermehrung“ von „geistig Defekten“ und „Minderwertigen“ schon lange von den „Irrenärzten“ als großes „Unrecht“ angesehen worden sei und befürwortete in „schweren Fällen“ kollegial begutachtete Tötungen als eine legitime „Pflicht“. Eugenisch begründete Sterilisationen wurden in der Schweiz bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts durchgeführt.


Nachtrag von Roger Bresch

Deshalb hat der Staat, die Schweiz, die Pflicht und moralische Verantwortung einen Härtefall-Fonds/ lebenslange Opferpension für uns Opfer unverzüglich einzurichten bevor noch mehr von uns wegsterben.

Ich Roger Bresch war als 12-jähriger selber in der Strafanstalt Landerziehungsheim Albisbrunn für schwererziehbare Burschen für 8 Jahre verwahrt worden. Ich lebte unter Jugendlichen, die wegen Straftaten und Delikten verurteilt waren, welche unter das Jugendstrafgestz fallen, als auch mit epilepsiekranken Jugendlichen, welche sich nur mit Hilfe von Medikamenten an das Insassenleben anpassen konnten.

Eine Straftat habe ich nie begangen, von einem ordentlichen Gericht wurde ich nie für die Verwahrung verurteilt. Ich wurde einfach weggesperrt, weil ich mit meiner Persönlichkeit anders war, als alle anderen Mitmenschen, Kinder und Jugendliche. Ich habe bereits als 4-jähriger Alles und Jeden hinterfragt, was mir erwachsene Menschen mitgeteilt haben. So etwas durfte von einem Kind nicht sein, das Wort einer Erwachsenen Person war zu meiner Kinder- und Jugendzeit absolut nicht diskutier- und anfechtbar.

Hintergrund: 

Das Gesetz regelte, dass Kinder und Jugendliche unter bestimmten Voraussetzungen den Eltern weggenommen werden konnten. Es war aber nie die Rede und es kann auch nicht im Sinn der Gesellschaft gewesen sein, Kinder und Jugendliche in Gefängnisse zu stecken.

Art. 283 a ZGB:

Bei pflichtwidrigem Verhalten der Eltern haben die vormundschaftlichen Behörden die zum Schutze des Kindes geeigneten Vorkehrungen zu treffen.

Art. 284 a ZGB:

sollten die Vormundschaftsbehörden ein Kind den Eltern wegnehmen, wenn es in seinem leiblichen oder geistigen Wohl dauernd gefährdet oder verwahrlost war, oder auf Begehren der Eltern, wenn ihnen ein Kind böswilligen und hartnäckigen Widerstand leistet, um es in angemessener Weise in einer Familie oder Anstalt unterzubringen.

Dieses Gesetz hatte den Kindern noch kein eigentliches Menschenrecht zugeordnet, sondern nur die Schuld. Das öffnete den Vormundschaftsbehörden den Weg und die Möglichkeit, schutzlose Kinder in nicht kindergerechten Institutionen unterzubringen. Dafür ist der Staat verantwortlich zu machen. Dies stellt eine menschlich, ethische Schuld des Staates gegenüber diesen Kindern dar, die nicht verjähren kann und darf. Behördenvertreter in Gemeinden, Kantonen und dem Bund haben sich an diesen Kindern schuldig gemacht und diese sind staatlich systemgeschädigt.

So erging es uns:

Während der Internierung war die Situation für uns ausweglos; es blieb uns nichts anderes übrig, als einfach alles hinzunehmen. Unmenschlich war es für die jungen Mütter, die niemals in eine Adoption eingewilligt hatten. Sogar ein Ausbruchsversuch wäre sinnlos gewesen, denn man hat ihnen schon am Tag der Geburt das Baby weggenommen. Somit klammerten sich viele an die Hoffnung, ihr Kind wieder zurück zu bekommen. Wären sie in Hindelbank oder wie meine Mutter Monika Bresch im Magadalena Heim ausgebrochen, hätten sie gar keine Chance mehr gehabt, ihr Kind wieder zurück zu erhalten. Wir befanden uns in einer ausweglosen Situation.

Diese Ohnmacht zeigte sich, wenn es eines der Mädchen in der Zelle nicht mehr aushielt. Sie begann zu schreien und gegen die klinkenlose Tür zu poltern. Sie schrien und schrien, wie man nur schreien kann, wenn man völlig verzweifelt ist. Viele der damaligen Insassinnen verletzten sich absichtlich an ihren Armen und am Körper selber, mit allen möglichen Instrumenten. Es war pure Selbstverstümmelung. Andere erhängten sich in der Zelle oder schnitten sich die Pulsadern auf. Eine historische Aufarbeitung über die Selbstmordrate der Administrativ Versorgten würde Erschreckendes zu Tage bringen.

Die zur Erziehung eingewiesenen Jugendlichen wurden nicht «erzogen» oder «bestraft». Man wollte unseren Willen brechen. Viele sind tatsächlich daran zerbrochen. Zudem wurden sie für immer mit dem Abfall unserer Gesellschaft besudelt! Dies ist einer der Gründe, weshalb wir nach unserer Entlassung weiterhin als «Zuchthäusler» und «Knaschtis» verspottet wurden, was wiederum bedeutete, dass die seelische Folter unaufhörlich ihren Lauf nahm. Bei einigen Betroffenen dauern diese posttraumatischen Belastungsstörungen bis heute an.

Die Auswirkungen der damaligen Behördenwillkür sind verheerend! Unter anderem Alkohol- und Drogen- und Medikamentenmissbrauch, psychische und somatische Dauerschäden und Depressionen. Viele haben sich während der Internierung oder auch später das Leben genommen! Ganze Familienstrukturen wurden durch Zwangsadoptionen und Zwangssterilisationen zerstört. Die permanente Selbstverleugnung und die Schuldgefühle liessen das nötige Selbstvertrauen nicht zu, um eine soziale und gesellschaftliche Integration zu bewerkstelligen. Die wenigen, die es trotzdem geschafft haben, sind da wohl Ausnahmen.

Einige Betroffene tauchten nach ihrer Entlassung in einem anderen Kanton oder gar im Ausland unter, so meine Mutter Monika Bresch, und begannen dort ein neues Leben. Monika Bresch lebt Heute traumatisiert mit grosser andauernden Angst vor den schweizer Behörden in Indonesien, auf Bali, für immer im selbstgewählten Exil. Ganz viele konnten das aber nicht. Obschon sie mit ihrem ehemaligen Heimatkanton oder Heimatland nichts mehr zu tun haben wollten, so wie ich, Roger Bresch, waren sie teils weiterhin der Behördenwillkür ausgeliefert. Bei diesen Frauen und Männern war es dann manchmal der neue Name des Ehemannes, der ihnen zu einer gewissen Anonymität verhalf.

Es gibt aber viele Betroffene, die durch die administrative Versorgung vollständig aus der Bahn geworfen wurden und nach ihrer Entlassung die Rückkehr ins normale gesellschaftliche Leben nie mehr geschafft haben, u. a. weil sie wegen der in Gefängnissen gemachten Erfahrungen und zusätzlich wegen des erlittenen Stigmas «Zuchthäusler» oder «Knaschti» weder eine Lehre noch eine andere Ausbildung absolvieren konnten. Sie wurden so zur Armut verdammt.

Das verstand man in Hindelbank unter «Nacherziehung».

Die Schweiz hat für ihre Straf- und Erziehungsanstalten Misshandlungs- und Folterpraktiken wie Nazi Deutschland betrieben, welche uns Opfern und Betroffenen zu unserem Lebensschicksal wurden. Wie sehr Schweizer Unternehmen in das braune Gedankengut involviert waren, hier bei Spiegel online nachlesen.


Der Verein Fremdplatziert, Interessengemeinschaft ehemaliger Heimkinder, Pflegekinder, Waisenkinder, Adoptivkinder und Verdingkinder verfügt über eine Wanderausstellung zur Thematik. Der Verein engagiert sich für mehr öffentliche Aufmerksamkeit zu diesen Themen, als auch für eine Entschuldigung der zuständigen Behörden und Täter, für Entschädigungen für die Betroffenen und Opfer, sowie für den Aktenzugang und der historischen Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels der Schweizer Geschichte.

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