Solidaritaetsbeitrag und Ergaenzungsleistungen

Solidaritaetsbeitrag und Ergaenzungsleistungen

Endlich wieder mal eine erfreuliche Nachricht. Insbesondre für diejenigen die gefahrlaufen, dass man ihnen die EL kürzt. So wie für die, die sich zu späht für den Solidaritätsbeitrag angemeldet hatten. Daher möchte ich alle bitten, die noch unentschlossen sind, sich doch für den Solidaritätsbeitrag bei den Opferhilfestellen sowie in unserem Verein zu melden, um diesen Solidaritätsbeitrag beim Bund einzufordern.


NZZ Logopng

Neue Zürcher Zeitung
– 05. November 2019

Seite: 15

Schweiz

Solidaritätsbeiträge bald ohne Nebenwirkungen

Zahlungen für ehemalige Verdingkinder werden neu geregelt

Opfer von Zwangsmassnahmen erhalten vom Bund Solidaritäts- beiträge von 25 000 Franken. Das kann dazu führen, dass ihnen

Opfer von Zwangsmassnahmen erhalten vom Bund Solidaritäts- beiträge von 25 000 Franken. Das kann dazu führen, dass ihnen deswegen Ergänzungsleistungen gekürzt werden. Das soll sich nun subito ändern.

Fabian Schäfer

Soll noch einer sagen, die Mühlen der Politik mahlten langsam. Wenn das Parlament will, geht alles sehr schnell. Wegen eines TV-Beitrags vom 27. August wollen National- und Ständerat am 20. Dezember eine Gesetzesänderung verabschieden, die nie in der Vernehmlassung war. Knapp vier Monate für eine Gesetzesrevision, das ist mutmasslich neuer Rekord.

Der Reihe nach. Ende August berichtete der «Kassensturz» über eine 89-Jährige, die einen Solidaritätsbeitrag von 25 000 Franken erhalten hat, weil sie ein Verdingkind war. Das Geld bekam sie im Frühjahr 2018. Im Jahr darauf folgte der Schreck: Die Ergänzungsleistungen (EL) der Frau wurden um rund 220 Franken im Monat gekürzt, zudem musste sie 2700 Franken zurückzahlen. Die Reaktionen waren heftig, es dominierte ungläubige Empörung. Zuerst bezahlt der Staat eine Wiedergutmachung für das erlittene Unrecht – und dann kürzt er deswegen die Sozialleistungen?

Verhängnisvoller Vorbehalt

Tatsächlich. Genau so hat es das Parlament 2016 entschieden. Damals hat es – in einem ebenfalls ziemlich rasanten Verfahren – einen Gegenvorschlag zur Wiedergutmachungsinitiative beschlossen. Darin sind die Solidaritätsbeiträge geregelt. Der entscheidende Passus ist eindeutig: Die Beiträge werden bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen als Vermögen angerechnet.

Derzeit beträgt der Freibetrag beim Vermögen 37 500 Franken. Wenn nun ein EL-Bezüger 25 000 Franken Wiedergutmachung erhält und sein Vermögen deshalb den Freibetrag übersteigt, kann dies bewirken, dass die Ergänzungsleistungen gekürzt werden. Dasselbe gilt auch für Opfer von Straftaten, die eine Genugtuung erhalten.

Nun ist es nicht so, dass Bundesrat und Parlament die potenziellen Probleme nicht erkannt hätten. Im Gesetz steht explizit, dass die Solidaritätsbeiträge weder bei der Sozialhilfe noch bei den EL zu Kürzungen führen sollen. Allerdings enthält das Gesetz an derselben Stelle eben auch einen Vorbehalt, bei dem es um die Anrechnung an das Vermögen geht. Diese Ausnahme war in den Debatten im Parlament kein Thema. In der Botschaft hatte der Bundesrat explizit darauf hingewiesen, allerdings ohne auszudeutschen, was die möglichen Folgen sind.

Niemand verteidigt Status quo

Inzwischen herrscht in Bern allenthalben Einigkeit: Der Vorbehalt soll weg, und zwar so rasch als möglich. Allen wäre am liebsten, das Problem liesse sich unkompliziert aus der Welt schaffen. Doch das geht nicht. Mehrmals hat der Bundesrat erklärt, die Regelung sei so eindeutig, dass sich das Problem nur ändern lasse, wenn das noch junge Gesetz wieder geändert werde.

Seit dem «Kassensturz»-Beitrag ist das Parlament zu diesem Schritt bereit. Der Bericht hat umgehend grosse Betriebsamkeit ausgelöst. Innert weniger Tage haben die Rechtskommissionen beider Kammern gleichlautende Motionen beschlossen, die verlangen, dass die Beiträge nicht mehr angerechnet werden. In beiden Kommissionen gab es keine einzige Gegenstimme. Doch da schalteten sich auch schon die eigentlich zuständigen Sozialpolitiker ein: Die Sozialkommission des Ständerats lancierte – ebenfalls einstimmig – eine parlamentarische Initiative, damit sie die Korrektur gleich selber aufgleisen kann. Ihre Kollegen im Nationalrat gaben sofort grünes Licht, wieder einstimmig. Und auch der Bundesrat ist einverstanden.

Und so geht es nun tatsächlich unbernisch schnell, auch aus Rücksicht auf das fortgeschrittene Alter vieler Betroffener. Mittlerweile liegt ein Entwurf vor, der ohne Vernehmlassung in der bevorstehenden Session in den Ständerat geht. Der Plan der zuständigen Kommission ist, das gesamte Gesetzgebungsverfahren in ein und derselben Session durchzupeitschen. Das dürfte klappen, da sich der Nationalrat kaum querlegen wird. Nach der Schlussabstimmung folgt die hunderttägige Referendumsfrist. Falls niemand das Referendum ergreift, soll die Änderung spätestens Anfang Mai gleich in Kraft treten.

Unklar ist, wie viele Personen vom Problem tatsächlich betroffen sind. Insgesamt haben bisher 8300 Personen einen Solidaritätsbeitrag erhalten. Nach einer Schätzung des Bundes könnten etwa 830 von ihnen betroffen sein, falls sie noch andere Vermögenswerte haben.

Das Parlament will den Opfern der früheren Zwangsmassnahmen noch in einem zweiten Punkt entgegenkommen: Sie sollen weiterhin Gesuche um Solidaritätsbeiträge einreichen können. Heute sieht das Gesetz eine einjährige Frist vor, die bereits verstrichen ist. Ein Vorstoss, der die Frist streichen will, wurde in der Rechtskommission des Ständerats soeben einstimmig unterstützt.

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